Der dritte Tag unserer Wanderung auf dem Malerweg beginnt mit einer echten Gewissensfrage für den ambitionierten Wanderer. Denn nahe unserem Hotel in Bad Schandau steht der historische Personenlift, ein freistehender Turm von 50 Metern Höhe. Er befördert seit 1904 fußfaule Wanderer bis auf die Ostrauer Scheibe oberhalb von Bad Schandau, wo auch unser Malerweg entlangläuft.
Wir entscheiden, dass es ein unverzeihliches Versäumnis wäre, auf dieses Erlebnis zu verzichten. Mit Faulheit und den auf diese Weise eingesparten Höhenmetern hat das selbstredend überhaupt nichts zu tun. Der Aufzug ist übrigens nicht auf staatliche Infrastrukturmaßnahmen zurückzuführen oder ein kommunales Prestigeprojekt. Nein, ein örtlicher Hotelier hatte seinerzeit die Idee für diesen Personenaufzug und bezahlte ihn auch komplett aus eigener Tasche. Damals hatte man noch Ideen…
Für einen kleinen Obolus bringt uns der Fahrstuhlführer (ja, den gibt es hier wirklich) nach oben. Schneller haben wir 50 Höhenmeter zweifelsohne nie zurück gelegt. Oben angekommen bietet sich uns ein toller Blick über Bad Schandau und auf die Elbe. Da wir nun noch ein gutes Stück vom Malerweg entfernt sind, ist zunächst Orientierungssinn gefragt. Den haben wir nicht, aber eine gute Smartphone-App, die uns den richtigen Weg weist.
Zum Großen Schrammtor
Der führt uns zunächst durch das kleine Örtchen Ostrau und der dortigen nicht eben kleinen Reha-Klinik Falkenstein. Als wir den Ort durchquert haben, sehen wir auch schon unser erstes Etappenziel des heutigen Tages, die Schrammsteine. Noch ahnen wir nicht, dass die uns noch vor einige Probleme stellen werden…
Über gut drei Kilometer verläuft der Malerweg ab Ostrau weitgehend eben und ohne nennenswerte Steigungen. Er führt uns auf breiten Waldwegen bis zum Großen Schrammtor. Zwei hoch aufragende Felsen bilden dieses Tor, durch das ein kleiner sandiger Weg führt. Auf den nächsten 1,5 Kilometer geht es nun leicht bergauf, rund 100 Höhenmeter sind bis zum Aufstieg zu den Schrammsteinen zu bewältigen.
Schrammstein-Problematik
Dann schließlich gabelt sich der Weg. Zur Linken führt ein unverkennbar steiler, schmaler Anstieg zusammen mit dem Malerweg in die Höhe zu den Schrammsteinen. Rechts ein breiterer Weg und dazwischen ein weiterer schmaler Pfad, der ebenfalls steil aber nicht so fordernd wie der Schrammsteine-Anstieg zu sein scheint. Wir entscheiden, dass Ralf und ich den Anstieg testen und Jens nebst Schäferhündin Bora dann ein Zeichen geben, ob es mit Hund zu machen ist oder nicht.
Es ist nicht zu machen. Der Aufstieg ist noch schmaler als gedacht und spätestens nach den ersten Leitern ist klar: Bora schafft es hier nicht hoch. Wir rufen Jens an und informieren ihn, dass er eine alternative Route braucht. Wir wollen uns dann später auf dem Malerweg wieder treffen. Ralf und ich setzen den Anstieg zu den Schrammsteinen fort.
Ein majestätischer Ort
Glücklicherweise ist es noch recht früh am Tag, doch schon jetzt sind hier viele Ausflügler und Wanderer unterwegs. Aufgrund der Enge des Weges sind Pausen beim Anstieg praktisch unmöglich, weil sonst die gesamte Polonaise ins Stocken gerät. Über weitere Leitern und mit einigen kleinen Klettereinheiten erreichen wir schließlich die lang gezogene Aussichtsplattform der Schrammsteine – und sind überwältigt.
Der Ausblick von der stark zerklüfteten Felsengruppe der Schrammsteine auf über 400 Metern Höhe ist sagenhaft. Fast ein 360-Grad-Panorama bietet sich uns hier. Unglaublich, dass auch hier im Mittelalter eine befestigte Anlage, die Burgwarte Schramensteyn stand. Von ihr sehen wir heute nichts mehr. Stattdessen ergötzen wir uns an dem Weitblick über die Sächsische Schweiz, beobachten die waghalsigen Kletterer auf den nahe gelegenen Felsgruppen und bekommen gar nicht genug von diesem majestätischen Ort.
Über den Gratweg
Doch schließlich müssen wir uns von dem Anblick und den Schrammsteinen trennen, denn wir wollen Jens und Bora nicht allzu lange warten lassen. Überhaupt müssen wir sie erstmal wiederfinden. Wir folgen dem Malerweg weiter, der nun als schmaler Gratweg über die Felsenhöhe verläuft. Fast alpin mutet der Weg hier jetzt an und ist ein echtes Erlebnis. Kaum einen Meter breit ist der Weg, links und rechts geht es steil bergab, doch zu einer Seite ist der Weg stets mit einem Geländer gesichert.
Treppen, Leitern, Felsen bestimmen nun den nächsten Teil unserer Wanderung – und plötzlich sitzen vor uns in einer Senke Bora und Jens. Zumindest das Herrchen ist einigermaßen erschöpft. Jens hat sich für den zweiten steil ansteigenden Weg entschieden – und damit keine gute Wahl getroffen. Denn auch hier gab es neben zahlreichen steilen Stellen auch zwei kleinere Leitern zu bewältigen, die Bora nur huckepack geschafft hat. Das wiederum hat Jens geschafft.
Zum Kleinen Dom
Wir setzen unseren Weg gemeinsam fort, begleitet von einem etwas mulmigen Gefühl. Denn wir wissen nicht, ob noch weitere Leitern oder für Bora unpassierbare Stellen folgen werden. Wir hätten uns besser vorbereiten müssen. Ein zweites Mal wird uns dieser Fehler sicherlich nicht unterlaufen.
Doch zunächst ist das Glück mit uns und der Malerweg verläuft mit moderaten Steigungen und auf teils schmaleren, teil breiteren Waldwegen hundefreundlich. Wir erreichen das Felsplateau Kleiner Dom, wo wir uns eine Pause gönnen. Abermals bietet sich uns ein großartiger Weitblick über die zerklüfteten Felsen und die grünen Wälder, die sich an ihnen hochzuarbeiten scheinen, wie Wanderer mit riesigen grünen Zipfelmützen.
Weiter zu den Affensteinen
Gestärkt setzen wir unsere Wanderung auf dem Malerweg fort und erreichen schon wenig später die Affensteine. Zum zweiten Mal am heutigen Tag trennen sich unsere Wege. Der Aufstieg wäre für Bora nicht zu machen, aber ein zweiter Weg führt um die Felsen herum und wir vereinbaren einen Treffpunkt auf der anderen Seite. Ralf und mich dagegen zieht es natürlich hinauf.
Die Affensteine haben ihren Namen nicht – wie man meinen könnte – von ihrer Gestalt. Wenngleich einige der Felsformationen zumindest mich an hockende Affen erinnert haben. Stattdessen war wohl der Uhu der wahrscheinlichste Namensgeber. Der hieß nämlich früher im Altdeutschen „Auf“ und nistet hier. So hießen diese Felsen vermutlich einst „Aufensteine“ und daraus entwickelte sich der heutige Name.
Hoch oben
So oder so bietet sich uns zum dritten Mal auf dieser Etappe ein grandioser Blick. Um uns herum die zerklüftete Felslandschaft der Affensteine, schroffe Felsen und Formen, die die Fantasie anregen. Dahinter die grün-graue Weite der Sächsischen Schweiz. Natürlich lassen wir es uns nicht nehmen, auf den einen oder anderen Felsen zu klettern! Auf eine Höhe von bis 458 Metern kann man dabei übrigens gelangen, wenn man den höchsten der Felsen, den Carolafelsen erklimmt.
Nicht Carola, aber Bora und Jens warten jedoch auf uns, wir müssen weiter. Wir treffen die Beiden schließlich wieder und setzen unseren Weg gemeinsam fort. Es geht jetzt spürbar bergab. Und nun hat der Malerweg doch noch eine böse Überraschung für uns. Eine steile Leiter von rund drei Metern Höhe lacht uns an und aus. Kein Weg daran vorbei, kein Umweg auf der Smartphone-App zu finden.
Eine Zirkusnummer
Die größte Anerkennung gilt für das folgende Akrobatik-Stück der unglaublich tapferen und gelehrigen Bora. Glücklich ist sie nicht mit unserem Plan, fügt sich aber. Und wird so sanft es eben geht von drei erwachsenen Männern die Stufen hinunter bugsiert, bzw. auf den Armen getragen. Einer stützt von hinten, einer wacht von vorne. Es gelingt, aber etwas mulmig ist es uns bei diesem Kunststückchen doch zumute.
Für uns geht es nach dieser Zirkusnummer weiter bergab und wir erreichen den Beuthenfall, passieren die Heidemühle und gelangen schließlich an den Lichtenhainer Wasserfall und die dortige Gastronomie.
Verblasstes Barock am Lichtenhainer Wasserfall
Was muss hier einst für eine erlauchte Atmosphäre geherrscht haben! Alte Bilder zeugen von einer residenzartigen Gastronomie mit einem prächtigen Brunnen vor dem Haus, Pferdekutschen hielten hier und entließen die erlesene Gesellschaft in den Vorhof. Barocker Hochgenuss!
Doch das ist lange her. Heute müssen wir uns mit weniger zufrieden geben. Den Wanderer erwartet vor allem ein kleiner Biergarten mit einem Grill und einer kleinen Verkaufsbude, an der zumindest kalte Getränke zu bekommen sind. Klar gibt es nebenan ein Restaurant, über dessen Qualitäten ich nichts berichten kann, doch das einst barocke Ambiente ist dahin. Alles wirkt ein bis fünf Spuren zu touristisch und leider etwas billig.
Die Krone setzte dem Ganzen aber der Lichtenhainer Wasserfall selbst auf. Der Dorfbach wird hier künstlich in einem kleinen See gestaut und darf dann zum Amüsement der Ausflügler ca. alle halbe Stunde wenige Meter über den Sandstein hinabstürzen. Dazu gibt es „Conquest of Paradise“ vom Band. Das „Spektakel“ dauert dann auch nur knapp ein bis zwei Minuten. Erschrocken stürzen wir ein Radler unsere Kehlen hinunter und machen uns aus dem Staub.
Letzter Anstieg zur Dorfidylle
Denn wir haben noch einen letzten Anstieg zu meistern. Anders als bei dieser Etappe offiziell vorgesehen gehen wir nicht weiter bis zum Kuhstall, sondern haben unsere Bleibe in Lichtenhain selbst bezogen und das wiederum liegt noch ein ganzes Stück oberhalb des Wasserfalls. Und es entschädigt uns. Nachdem wir die gut 130 Höhenmeter entlang des Dorfbachs und auf schmalen Waldwegen zurückgelegt haben, nimmt uns die dörfliche Idylle in Empfang.
Unser Nachtlager haben wir in einem Berggasthof gefunden, der kaum mehr Urtümlichkeit ausstrahlen könnte. Pferde und Kühe grasen friedlich vor unseren kleinen Balkonen, die uns zugleich einen Weitblick über die Höhenzüge der Sächsischen Schweiz ermöglichen. Mit diesem Anblick dinieren wir dann auch in dem großzügigen Biergarten, gönnen uns noch ein Tagesabschlussgetränk und freuen uns auf die vierte Etappe auf dem Malerweg am folgenden Tag.
Warum will ich das wandern? Mit Hund will man das eigentlich nicht wandern. Ohne jedoch bieten sich so viele sagenhafte Ausblick, so viele Klettererlebnisse auch für Kletterungeübte, so viel Abwechslung, dass es nur so eine Lust ist. Insbesondere die Schrammsteine und der Gratweg sind eine Wucht.
Bewertung
Natur ★ ★ ★ ★
Ausblicke ★ ★ ★ ★ ★
Abwechslung ★ ★ ★ ★ ★
Romantik ★ ★ ★ ★
Abenteuer-Faktor ★ ★ ★ ★
INFOS
Etappenwanderweg, ca. 17 km lang
Höhenmeter: 520 m
Gehzeit: 6 Stunden
Schwierigkeit: schwer
Start: Personenlift Bad Schandau
Alle Etappen der Malerweg-Wanderung:
Tag 1: Von Stadt Wehlen bis Hohnstein
Tag 2: Von Hohnstein bis Bad Schandau
Tag 4: Von Lichtenhain bis Schmilka
Tag 5: Von Schmilka bis Gohrisch
Tag 6: Von Gohrisch bis Stadt Wehlen
Das ist eine wunderschöne Gegend. Vor kurzem war ich mit meiner Klasse zur Klassenfahrt dort. Aber ich bin nicht so leichtfüßig die Berge hochgeklettert 🙂
Gruß
Aurora
Ganz schwindelfrei bin ich nicht, daher war das Leichtfüßige hier auch ein bisschen geschwindelt 😉