Nachdem wir vier Jahre lang durch Weinberge und entlang von Rhein und Mosel gewandert sind, steht mit dem Malerweg in der Sächsischen Schweiz in 2018 erstmal etwas völlig anderes auf dem Programm. Unsere vierköpfige Wandergruppe ist durch einen Krankheitsausfall auf drei Männer reduziert, als Anstandsdame ist aber auch in diesem Jahr Schäferhündin Bora mit von der Partie. Ist der Ausfall ein schlechtes Omen? Hätten wir doch lieber den Weinbergen treu bleiben sollen? Als wir im Elbsandsteingebirge ankommen, sind wir noch unsicher, ob die sechs Tage auf dem Malerweg wirklich eine gute Idee waren.
Wie in jedem Jahr wandern wir von Ort zu Ort und haben die Hotels und auch den Gepäcktransfer lange im Voraus gebucht. Da wir nicht acht Tage gehen wollten und uns die erste und die letzte Etappe ohnehin nicht wahnsinnig attraktiv erschienen, haben wir uns dazu entschlossen, die Tour in Stadt Wehlen beginnen und auf der anderen Elbseite dann nach insgesamt sechs Wandertagen enden zu lassen. Da wir in Stadt Wehlen für die Nacht vor der ersten Wanderung kein Hotel gefunden haben, werden wir zwei Nächte in Hohnstein, dem ersten Etappenziel nächtigen. Dort checken wir am Pfingstsamstag nach einer erstaunlich stress- und staufreien Anreise am späten Nachmittag ein.
Ankunft in Hohnstein und Fachkräftemangel
Hohnstein selbst ist ein wirklich malerischer Ort – hier macht der Malerweg seinem Namen schon mal alle Ehre. Über allem thront die Burg Hohnstein, deren Grundfeste im 12. Jahrhundert errichtet wurden. Heute dient sie teils als Jugendburg, teils als Hotel. Der Innenhof und der Garten können jederzeit besichtigt werden und lohnen den Abstecher allemal. Wir sind jedoch nicht in der Burg, sondern im Hotel direkt gegenüber einquartiert.
Wir lernen am ersten Abend eine Lektion, die in den nächsten Tagen bestätigt wird und für unsere Tagesplanung nicht unerheblich ist: Die Küchen der Region schließen zeitig (i.d.R. 20 Uhr) und auch mit dem Ausschank ist vergleichsweise früh Schluss (21-22 Uhr). Das wiederum liegt am eklatanten Fachkräftemangel in der Region, der Hotellerie und Gastronomie arg zu schaffen macht. Wir entwickeln schnell eine Gegenstrategie und ordern vor dem Zapfenstreich noch zwei Flaschen Weißwein und bleiben bei dem Schein einer Kerze, die uns die freundliche Bedienung noch spendiert, im Biergarten vor dem Hotel sitzen. Etwas wehmütig denken wir dabei an die weinseligen, späten, späten Abende in den Straußwirtschaften an Rhein und Mosel…
Startschuss für den Malerweg in Stadt Wehlen
Am nächsten Morgen treffen wir uns um acht Uhr zum Frühstück und brechen danach mit dem Auto nach Stadt Wehlen auf. Dort parken wir bei der Unterkunft unserer letzten Etappe den Wagen und machen uns auf, den Malerweg zu erkunden. Der führt uns zunächst ein Stück der Elbe entlang. Und schon hier – wie auch am Vorabend im Biergarten – erkennen wir, dass wir uns in einem echten Wanderer-Mekka befinden. So viele Wanderer wie allein seit unserer Ankunft in Hohnstein haben wir auf den bisherigen Wandertouren je in einer Woche nicht zu Gesicht bekommen.
Nach einigen hundert Metern winken wir der Elbe, denn nun knickt der Malerweg nach links ab und führt bergauf. Zunächst noch etwas gemächlich, doch dann geht es auf den Schwarzen Berg und das mit Macht. Steil bergauf führt der Malerweg, über Stufen, Wurzeln, Stock und Stein. Gut einen Kilometer geht das so.
Elbe von oben und Steinerner Tisch
Inzwischen hat das Thermometer die 20-Grad-Marke erreicht, die Sonne strahlt vom blauen Himmel und wir genießen – reichlich verschwitzt – den Blick von einer Aussichtsplattform auf die inzwischen mehr als 200 Meter unter uns liegende Elbe. Glücklicherweise führte der Anstieg durch den Wald, sodass wir unentwegt durch den Schatten der Bäume geschützt waren. Sonst wäre nun eine längere Pause vonnöten…
Wir passieren den Steinernen Tisch, der Anfang des 18. Jahrhunderts für die Jagdgesellschaften der feinen Herren hier errichtet wurde. Direkt daneben liegt eine Gastwirtschaft, die bei unserem Eintreffen allerdings geschlossen hat. Wir gehen weiter, nun weitgehend ohne Anstiege und eine ganze Zeit lang erinnert mich die Landschaft an den Teutoburger Wald – auf dem Hermannsweg sieht es ganz ähnlich aus…
Erste Ausblicke und Ankunft an der Bastei
Die nächste Einkehrmöglichkeit lässt gar nicht lange auf sich warten und der dortige Auftrieb an dem kleinen Kiosk lässt uns ahnen, dass wir uns allmählich der Bastei nähern. Noch bevor wir die dortige Gastronomie erreichen, bekommen wir endlich die für die Sächsische Schweiz so typischen Sandsteinfelsen zu Gesicht. Eine Aussichtsplattform bietet uns erste Einblicke und die sind in der Tat beeindruckend.
Ebenso beeindruckend wie die Preise, die im Biergarten der Bastei-Gastronomie für kalte Getränke genommen werden und die uns fluchtartig weitergehen lassen. Inzwischen befinden wir uns in großer Gesellschaft – es ist Pfingstsonntag und naturgemäß ist rings um die Bastei schon ein Heer von Ausflüglern unterwegs, auch wenn es gerade erst Mittag ist.
Viel Betrieb – aus Gründen
Schließlich erreichen wir die tausendfach gemalte und fotografierte Basteibrücke, die so etwas wie das inoffizielle Wahrzeichen für den Malerweg ist. Auch hier ist nun freilich schwer was los, wenngleich von Gedränge und Geschieben noch keine Rede sein kann. Wanderer, die später nach uns kamen, berichteten von einer regelrechten „Polonaise“ auf der Brücke.
Das können wir ohnehin nicht, denn die Basteibrücke selbst und die Ausblicke, die von ihr und verschiedenen Aussichtspunkten hier gewährt werden, sind absolut einmalig, atemberaubend und so erhaben, dass sie den Ansturm nachvollziehbar machen.
Durch das Raubritternest und Abstieg
Wir bezahlen gerne das schmale Entgelt, um am Ende der mehr als 70 Meter langen Basteibrücke auch die Ruine der Felsenburg Neurathen zu begehen. Eine gute Entscheidung. Denn zum Einen bieten sich von den vielen Erhebungen und Balkonen hier noch einmal ganz andere Eindrücke und Ausblicke und zum Anderen ist die Vorstellung, hier in den zerklüfteten Felsen durch ein ehemaliges Raubritternest zu gehen, mehr als beeindruckend. Dazu braucht es wenig Erklärendes, denn die Ruine, die Felsen und die Aussicht beflügeln die Fantasie und lassen die alten Zeiten vor dem geistigen Auge wieder lebendig werden. Was muss das hier für eine uneinnehmbare Festung gewesen sein! Wie erhaben und mächtig müssen sich ihre Besitzer gefühlt haben?!
Schließlich nehmen wir Abschied von der Bastei und machen uns an den Abstieg. Der ist ähnlich steil wie schon der Aufstieg und führt über zahlreiche Stufen hinab bis zum Eingang der Felsenbühne Rathen und dem langgestreckten Amselsee, auf dessen ruhigem Wasser schon einige Ausflügler zu Boote unterwegs sind. Inzwischen steht uns der Sinn nach einer Pause, aber ein schattiges Plätzchen will sich hier am Amselsee partout nicht finden lassen. Und so gehen wir weiter bis zu seinem Ende und lassen uns dort dann im Schatten der Bäume nieder.
Wiedersehen und ein guter Tipp
Hier treffen wir eine Familie, die wir am Vorabend schon im Biergarten in Hohnstein gesehen haben. Sie kommen aus einer anderen Richtung als uns der Malerweg weiter führen würde, berichten aber, der Weg von Hohnstein hierher sei ebenfalls schön und ruhig gewesen. Auch bei ihnen stehen noch die Schwedenlöcher auf dem Programm, die wir uns ebenfalls vorgenommen haben. Wir behalten den Hinweis auf die Alternativstrecke im Hinterkopf, denn diese scheint uns deutlich weniger überlaufen als unser Malerweg und gehen zunächst ein Stück unseres Weges weiter und kommen dann zur Schlucht, die den Eingang zu den Schwedenlöchern markiert.
In den Schwedenlöchern
Die Schwedenlöcher bekamen ihren Namen im 17. Jahrhundert. Während des 30jährigen Kriegs zerstörten schwedische Truppen das nahe gelegen Dorf Rathewalde im Jahr 1639. Die Bauern und ihre Familien rafften das Nötigste zusammen und flohen Hals über Kopf in die damals noch schwer zugängliche, wilde Schlucht und hielten sich dort vor den marodierenden Nordmännern versteckt. Erst seit Ende des 19. Jahrhunderts ist diese Schlucht touristisch erschlossen und komplett begehbar.
Und weil sie ein echtes Erlebnis ist, ist hier am Pfingstsonntag natürlich Hochbetrieb. Fast im Gänsemarsch geht es durch die Schlucht überwiegend auf Stufen steil nach oben – fast bis auf die Höhe der Bastei begeben wir uns nun wieder. Doch die Atmosphäre ist so einmalig, so fantasy-artig, so unwirklich, dass wir die Anstrengung und sogar die Menschenmassen kaum wahrnehmen. Wir zwängen uns durch Felsspalten, gehen durch enge Kluften und bestaunen die bizarren, von Moos bewachsenen Felsformationen und genießen zugleich auch die Kühle, die diese Schlucht spendet.
Zeit für ein kleines Abenteuer
Oben angekommen gönnen wir uns noch den Ausblick auf die Felsformationen ringsum von einer weiteren Aussichtsplattform und schauen auch noch einmal hinüber zur Bastei. Dann schauen wir noch einmal die Menschenmassen an, dann uns – und beschließen, nach dem Abstieg dem Malerweg vorübergehend den Rücken zu kehren und den Weg zu versuchen, den die Familie aus Hohnstein genommen hatte. Unser Bedarf an Polonaise ist für heute gedeckt.
Wir nehmen denselben Weg durch die Schwedenlöcher zurück und halten uns unten angekommen wieder rechts, wo wir herkamen. Der nun folgende Teil weicht von der unten stehenden Kartendarstellung ab und war im Nachgang auf der Karte für mich nicht mehr recht rekonstruierbar. Zeit für etwas Abenteuer also…
Wir kehren an unseren Rastplatz zurück und nehmen dort den Weg, den die Familie aus Hohnstein kam. Schöne, ruhige Waldwege und kein Mensch zu sehen – wir atmen durch. Doch schon bald stehen wir vor einer schwierigen Frage, die eine Kreuzung an uns richtet. Der attraktivste Weg führt steil bergauf, ist aber laut Ausschilderung nur ein Zuweg zu den dortigen Kletterfelsen. Doch dann kommt ein anderer Wanderer von dort herunter und versichert uns, dass wir dort auch nach Hohnstein kommen könnten.
An der Lokomotive
Wir glauben ihm und schnaufen nun einmal mehr steil bergauf – abermals wieder knapp 200 Höhenmeter. Wie schon zuvor in den Schwedenlöchern sind diese in unserer ursprünglichen Etappenplanung nicht eingeplant und wir sammeln reichlich zusätzliche Höhepunkte… Schließlich türmen sich große, wild geformte Felsen vor uns auf. Einer davon scheint die Form einer Dampf speiende Lokomotive zu haben. Und tatsächlich: Dieser Felsen trägt den Namen Lokomotive, wie ein Blick auf die Karte verrät. Eine Gruppe von Kletterern macht sich gerade daran, ihn zu erklimmen. Wir schauen abwechselnd ihnen zu und in die Ferne. Denn mit den Höhenmetern haben wir uns einmal mehr einen fantastischen Ausblick erkämpft. Auch wenn wir keine Ahnung haben, wie es von hier weiter gehen könnte.
Nach einer kurzen Rast und nachdem wir die Karten ein paar Mal hin und her gedreht haben, gehen wir weiter. Abermals treffen wir einige Wanderer, die wir nach der groben Richtung und einem Weg nach Hohnstein fragen. Sie wissen Rat und wir folgen ihrer Empfehlung. Ein recht abenteuerlicher, sehr steiler Abstieg beginnt. Es folgt ein weitgehend ebener Abschnitt und schließlich sind wir einigermaßen plötzlich wieder auf dem Malerweg. Vor uns liegt der Hockstein.
Durch die Wolfsschlucht
Unter uns sehen wir das Polenztal und auf dem Berg gegenüber Hohnstein. Damit ist auch der letzte Teil der heutigen Etappe klar: Hinab ins Tal und dann noch ein letztes Mal hinauf bis zu unserem Quartier. Wir mobilisieren noch einmal alle Kräfte und machen uns an den Abstieg. Der ist abermals so abenteuerlich, dass wir gar keine Zeit finden, angestrengt zu sein.
Denn nun geht es hinab ins Polenztal durch die Wolfsschlucht. Diese ist meist eng und schmal und teilt den Hockstein in zwei unterschiedlich große Einzelfelsen. Die Felswände sind teilweise mit Quarzadern durchsetzt. Durch die Kluften hindurch führen uns überwiegend Eisentreppen. Von denen ist Schäferhündin Bora zwar nur mäßig begeistert, gibt aber auch keine Widerworte, weshalb wir mit ihr zusammen problemlos den Abstieg durch die Felsen schaffen.
Unten angekommen gönnen wir ihr einen kräftigen Schluck aus dem Fluss Polenz und uns ein kaltes Radler im Biergarten der hier beheimateten Gastronomie. Inzwischen geht es auf 17 Uhr zu und wenn wir vor dem Abendessen noch etwas ausruhen und eine Dusche nehmen möchten, müssen wir weiter. Das Alster zügig auszutrinken bereitet uns glücklicherweise keine großen Schwierigkeiten…
Aufstieg nach Hohnstein
An den folgenden Aufstieg hatte ich nun keine Erwartungen mehr – Stufen, Wurzeln, Wald und ein paar Felsen, dachte ich – man kennt es ja nun. Doch weit gefehlt. Auch dieser letzte Abschnitt unserer ersten Etappe auf dem Malerweg hat noch mal etwas Eigenes zu bieten. Denn weitgehend führt uns der Weg an einem kleinen Bach entlang, immer auf schmalen Pfaden und begleitet von der ein oder anderen Bauruine, die seinerzeit wohl zu den Ausläufern der Befestigungsanlage Hohnsteins gehört haben mag. Das Wandererherz hüpft und jubiliert ununterbrochen bis wir schließlich die ersten Häuser Hohnsteins wieder erreichen.
Durch die Gassen des Bergstädtchens erreichen wir schließlich wieder unser Hotel. Was für ein Auftakt! Kann der Malerweg dieses Niveau halten? Mir erscheint das an diesem Abend unmöglich.
Ohrwurm für diese Wanderung: Rocky mountain high
Warum will ich das wandern? Weil die Landschaft fasziniert, die Ruine der Felsenburg unsere Fantasie beflügelt, die Ausblicke den Atem rauben und die Schwedenlöcher und die Wolfsschlucht wunderbare Wanderabenteuerstimmung bieten!
Bewertung
Natur ★ ★ ★ ★
Ausblicke ★ ★ ★ ★ ★
Abwechslung ★ ★ ★ ★ ★
Romantik ★ ★ ★ ★ ★
Abenteuer-Faktor ★ ★ ★ ★
INFOS
Etappenwanderweg, ca. 10,6 km lang (nur nach Kartenlage und ohne Schwedenlöcher und Lokomotive)
Höhenmeter: 560 m (nur nach Kartenlage und ohne Schwedenlöcher und Lokomotive)
Gehzeit: 5 Stunden (in unserer Variante mit Pausen 8 Stunden)
Schwierigkeit: schwer
Start: Ortskern Stadt Wehlen
Alle Etappen der Malerweg-Wanderung:
Tag 2: Von Hohnstein bis Bad Schandau
Tag 3: Von Bad Schandau bis Lichtenhain
Tag 4: Von Lichtenhain bis Schmilka
Tag 5: Von Schmilka bis Gohrisch
Tag 6: Von Gohrisch bis Stadt Wehlen
Perfekt geschrieben, als wäre man dabeigewesen. Bin gespannt auf die nächsten Touren!
Schade nur, dass du nicht dabei sein konntest!!