Nie war ich so froh, ein Hotel verlassen zu dürfen wie an unserem dritten Wandertag. Nach einem schnellen Frühstück machen wir uns auf wieder auf den Weg, unseren inzwischen so lieb gewonnen Rheinsteig Symbolen folgend. Die werden uns heute auf den rund 21 Kilometern bis Kaub begleiten, etwa 750 Höhenmeter stehen auf dem Programm.
Zum Dreiburgenblick
Zunächst gehen wir ein Stück durch St. Goarshausen, das sich wie ein Band am Rhein entlang zieht und im Prinzip nur aus zwei sehr langen Straßen zu bestehen scheint. Dann entdecken wir zur Linken die blauen Rheinsteig Symbole und sind wieder auf dem Track. Der führt uns natürlich wieder nach oben. Auf knapp einem Kilometer legen wir die ersten 200 Höhenmeter zurück und erreichen den Dreiburgenblick.
Wie der Name ahnen lässt, können wir hier drei Burgen bestaunen – Burg Katz, Burg Maus und Burg Rheinfels. Burg Maus liegt bereits hinter uns, Burg Katz erreichen wir in Kürze und Burg Rheinfels auf der anderen Seite des Flusses muss sich gedulden, bis wir ein Jahr später wiederkommen, um den Rheinburgenweg zu gehen. Das jedoch ahnen weder wir noch die Burg aus dem 13. Jahrhundert zu diesem Zeitpunkt.
Echt jetzt, Rheinsteig?
Vom Dreiburgenblick folgt ein kurzer, aber irritierender Abschnitt. Denn hier geht es ausnahmsweise über fast einen Kilometer durch Siedlungsgebiet und über Asphalt. Wir sind inzwischen so sehr vom Rheinsteig verwöhnt, dass wir uns kurz fragen, ob wir noch richtig sind. Doch die stets hervorragende Markierung lässt keine Zweifel zu.
Bei einem Parkplatz dann macht der Weg eine harsche Kehre und führt wieder in die Natur und uns bergab. Am Ende dieses Weges wundern wir uns noch einmal über die Streckenführung, denn wir stehen nun wieder am Ortsrand St. Goarshausen, dem Marktplatz und dem Alten Rathaus fast zum Greifen nah. Doch nun führt der Rheinsteig auch schon wieder weg vom Örtchen und hinauf auf den nächsten Berg. Über uns sehen wir bereits Burg Katz.
Katz im Dornröschenschlaf
Die Burgherren haben sich ja etwas gedacht bei der Wahl ihrer Baugrundstücke. Sie waren in der Regel schlecht zugänglich, damit feindliche Angreifer kein leichtes Spiel hatten. Leider gilt das auch noch für Wanderer, die Jahrhunderte später zu den Adelssitzen gelangen wollen. Also ist der Weg selbstredend steil und anstrengend.
Wir erreichen die Burg, die heute in Privatbesitz und nicht öffentlich zugänglich ist. Der Name ist übrigens eine Verkürzung von Katzenelnbogen. Diesem Adelsgeschlecht gehörte bereits die Burg Rheinfels auf der anderen Rheinseite. Da sie jedoch Attacken von Burg Maus auf der gegenüberliegenden Seite befürchteten, ließen sie noch gleich eine zweite Wehranlage bauen. Und weil die Rheinländer Humor haben, nannten sie die beiden Burgen kurzerhand ab sofort Katz und Maus.
Wir lassen die Katze weiter ihren Dornröschenschlaf schlafen und ziehen an ihr vorbei. Wenig später haben wir von weiter oben noch einmal einen tollen Blick auf sie und St. Goarshausen.
Rheinromantik an der Loreley
Durch den St. Goarshausener Stadtteil Heide gelangen wir zum Loreley-Besucherzentrum, von dem es nicht mehr weit zum weltberühmten Loreleyfelsen ist. Man könnte sagen: ein Katzensprung. Und hier erreicht die Rheinromantik naturgemäß ihren fast ein wenig kitschigen Höhenpunkt. Münzdruckautomaten inklsuive.
Hoch und steil ragt der Schieferfelsen, auf dem wir uns nun befinden auf der Innenseits der schärfsten Rheinkurve empor und nun ist vieles zu tun: Erinnerungsfotos knipsen, posieren, nach der Loreley-Statue, die von hier oben nicht zu sehen ist, Ausschau halten und schließlich und endlich selbstverständlich das Loreley-Lied anstimmen.
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin.
Ein Märchen aus uralten Zeiten, das geht mir nicht aus dem Sinn.
Da ist Gottseidank Schluss mit unseren Textkenntnissen und wir überlassen den Gesang doch lieber den Profis.
Auf den prächtigen Rheinhöhen
Da wir uns irgendwann satt gesehen haben und auch keine Sirenenklänge zu vernehmen sind, ziehen wir weiter. Und abermals verstört uns der Rheinsteig mit einem erneuten Asphaltabschnitt von gut 700 Metern. Doch dann sprengt er seine Teerfesseln und der Naturvorhang öffnet sich für die prächtigen, grünen Rheinhöhen, die uns den Atem stocken lassen.
Wir laufen auf einem sich weit vor uns erstreckenden Plateau mit wogenden Feldern, Weinreben und lichten Baumbeständen. Wir können kaum fassen, was wir hier sehen. Es ist wie im Wanderparadies. Als i-Tüpfelchen posiert dann auch noch ein Schmetterling im Weizenfeld für die Kamera. Kitsch me if you can.
Dazwischen zerklüftete Felsen, die den Blick auf den Rhein öffnen und einrahmen und mittendrin auch ein Rastplatz, auf dem wir unser zweites Frühstück zu uns nehmen können.
Auch heute ist Petrus uns wieder wohlgesonnen – etwas mehr als 20 Grad zeigt das Thermometer und aus blauem Himmel lacht der Lorenz auf uns herunter. Wir lachen mit.
Bornichbach und Urbachtal
Gut gelaunt setzen wir unsere Tour auf dem Rheinsteig fort, obgleich es hier mit dem Weinlehrpfad und etlichen kleinen, etwas abseits vom Weg gelegenen Aussichtspunkten wirklich alle naselang noch mehr zu entdecken gäbe. Durch das Tal des Bornichbaches gelangen wir zu einem Pavillon mit herrlichem Blick auf die Weinberge am gegenüberliegenden Rheinufer.
Dann steigen wir ins Urbachtal und wandern hier auf einem reizvollen Hangpfad durch schöne Eichenwälder. Der plätschernde Bach, das sich über uns leise im Wind wiegende Wipfelzelt, der schmale Weg – wir gehen wie durch ein Märchenland. Viel zu schnell müssen wir das Urbachtal wieder verlassen und steigen dann auf einem fast alpin anmutenden Pfad, der mit Tauen gesichert ist, zum Aussichtspavillon auf dem Rossstein hinauf.
Durst ist schlimmer als Heimweh
Wir blicken weit den Fluss aufwärts und sehen Kaub uns bereits zuwinken. Wir winken zurück. Auf der anderen Rheinseite liegt gut sichtbar Oberwesel und aus fast 350 Metern Höhe wirken die Schiffe auf dem Rhein bereits unwirklich klein. Winziger Wermutstropfen: Inzwischen ist es deutlich wärmer und unsere Wasservorräte sind etwas knapp geworden, der Durst dafür umso größer. Und Durst ist schlimmer als Heimweh, sagt man, wo ich herkomme. Zeit für einen kleinen Umweg.
Also ziehen wir weiter und verlassen entgegen aller Gewohnheit den Rheinsteig als wir die Ortschaft Dörscheid vor uns liegen sehen. Irgendwo hier wird es ja wohl ein kühles, alkoholfreies Weizen zu packen geben! Wir gehen einmal fast durch den kompletten Ort und treffen keine Menschenseele – und auch kein Weizen. Fast am Ende des Ortes treffen wir zwei Mädchen, die einen Hund ausführen. Wir fragen sie, ob es denn hier so etwas wie Café geben würde. Die beiden schütteln den Kopf und erklären uns, sie wären auch nicht von hier. Dann verschwinden sie so plötzlich, wie sie aufgetaucht sind. Fast ein bisschen unheimlich hier. Es wird doch nicht gleich Jack Nicholson…
Rettung und Abstieg
Nein, wird er nicht, denn wir entdecken nun doch tatsächlich das Landgasthaus Blücher in der hintersten Ecke des Ortes – und es ist ein Segen. Denn die große Sonnenterrasse mit Blick auf das Rheintal und das eiskalte Hefeweizen retten uns vor einem vertrockneten, traurigen Finale auf der heutigen Rheinsteig-Etappe. So gut gefällt es uns hier, dass wir noch ein zweites Getränk nehmen und den Tag ein wenig ohne uns weiterziehen lassen.
Danach brechen wir auf zum Abstieg nach Kaub. Das geht fix, denn der Rheinsteig ist uns klammheimlich um den Ort herum gefolgt und verläuft direkt unterhalb der Gaststätte weiter. Die Ochsentour durch den Geisterort hätten wir uns also auch sparen können…(Nur für diejenigen, die diesen Fehler gar nicht erst machen möchten.)
Wachturm und Däuwel’s Küch
Wir treffen in Kaub ein und übernehmen direkt die Stadtwache. Denn für heute haben wir uns etwas besonders Exklusives gegönnt und nächtigen tatsächlich im alten Stadtturm, der auf das 13. Jahrhundert zurückgeht. Der Wachturm sicherte im Mittelalter den Weg nach Mainz. 2008 wurde er komplett renoviert und zu einem Hotelanbau ausgebaut. Die großen Zimmer, das luxuriöse Bad und die einmalige Atmosphäre sind ein angenehmer Kontrast zum Vortagsdesaster.
Für das „Abendmahl“ haben die Wanderjünger auch eine Empfehlung mitgebracht und wir machen uns auf an den Ortsrand zu „Däuwel’s Küch“, einer offenbar sehr beliebten Straußwirtschaft, in der wir gerade noch den letzten Platz bekommen. Ein tolles, deftiges Essen und hervorragende Weißweine lassen den Abend wie im Nu verfliegen und sorgen für zahlreiche Genussmomente.
Ein letztes Flascherl
Am Ende des Abends, als wir selbstverständlich die letzten Gäste sind, ist noch Zeit für einen Plausch mit dem Winzer und Gastwirt und Personalunion. Er schaut auf die vor uns stehenden Weinflaschen und fragt, welcher uns am Besten gemundet habe. Nachdem wir unsere Wahl kundgetan haben, entschwindet er in seinem Weindepot und gibt uns noch eine Flasche mit – als Wegzehrung.
Satt und zufrieden gehen wir zurück zum Turm. Und da wir die Flasche Wein ja schlecht am nächsten Tag im Gepäck mitnehmen können, wird sie natürlich noch umgehend geleert. Dann verbarrikadieren wir uns in unserer Mittelalterfestung und treten die Nachtwache über Kaub an.
Ohrwurm für diese Wanderung: If paradise is half as nice
Warum will ich das wandern? Loreley. Rheinhöhen. Urbachtal. Wanderparadies. Noch Fragen?
Bewertung
Natur ★ ★ ★ ★ ★
Ausblicke ★ ★ ★ ★ ★
Abwechslung ★ ★ ★ ★ ★
Romantik ★ ★ ★ ★ ★
Unterkunfts-und-Gastronomie-Faktor ★ ★ ★ ★ ★
INFOS
Etappenwanderweg, ca. 21,2 km lang
Höhenmeter: 750 m
Gehzeit: 7 Stunden
Schwierigkeit: schwer
Start: Ortskern St. Goarshausen
Alle Etappen der Rheinsteigwanderung
Rheinsteig: Braubach bis Kamp-Bornhofen
Rheinsteig: Kamp-Bornhofen bis St. Goarshausen
Rheinsteig: Von Kaub nach Lorch
Rheinsteig: Von Lorch nach Rüdesheim
3 thoughts on “Rheinsteig: St. Goarshausen bis Kaub”