Mit rund neun Kilometern ist der Dyckerhoff Rundwanderweg in Lengerich nicht gerade ein Schwergewicht unter den Wanderwegen. Auch die rund 170 Höhenmetern sind eher harmlos. Und doch hat er auf der überschaubar langen Strecke viel zu bieten. Schönes und weniger Schönes. Entweder man hasst ihn oder man liebt ihn.
Diese Ambivalenz resultiert daraus, dass der Weg seinen Reiz oder wenigstens seine Besonderheit aus dem Steinbruch bezieht, um den er führt. Der gehört zum Zementwerk Dyckerhoff, das nach wie vor in Betrieb ist und sich weiter in den Teuto gräbt. Und damit sind wir auch schon beim unschönen Teil. Denn das Werk ist natürlich auf dieser Strecke recht präsent. Ein Stück weit müssen wir auch an ihm vorbei, was die Wanderfreude trübt. Doch der Rest hält starke Eindrücke und Erlebnisse für uns bereit.
Mein Tipp: Wer den Dyckerhoff Rundwanderweg in Lengerich ausprobieren möchte, der sollte sich für eine Wanderung ab Mitte April bis Mitte Mai entscheiden. Denn das ist die Zeit, in der der Bärlauch blüht. Und davon erwartet uns am Wegesrand mehr als nur ein kleines Feldchen. Doch der Reihe nach…
Aufstieg ins Naturschutzgebiet
Wir beginnen unsere Wanderung am Wanderparkplatz in der Dyckerhoffstraße. Die finden wir, wenn wir von der Stadtmitte kommend die Augen links halten und kurz vor dem unübersehbaren Zementwerk abbiegen. Wir parken das Wandermobil und entdecken schnell die blaue Wegemarkierung auf weißem Grund, die uns ab jetzt an der Hand nimmt. Sie ist übrigens dem Logo des Unternehmens nachempfunden.
Es geht langsam, aber stetig bergauf und wir erreichen alsbald den ersten Steinbruch. Dieser ist allerdings schon lange still gelegt und heute Teil des Naturschutzgebietes Intruper Berg. Hier hat die Natur längst begonnen, sich zurück zu holen, was rechtmäßig ihr gehört.
Vielfältige Flora und Fauna
Ausgedehnte, geschlossene Kalkbuchenwälder kennzeichnen den Intruper Berg. Mehr als 500 Pflanzenarten haben Botaniker bisher in den Lengericher Kalksteinbrüchen und den umgebenden Wäldern gefunden. Ein sichtbarer Ausdruck für die Vielfalt der Biotope am Teutoburger Wald. Neben der vielfältigen Flora zählen Nachtigall, Goldammer, Grasmücke, Uhu und Turmfalke zu den Bewohnern des Naturschutzgebietes. Und gerade in den Sommermonaten werden uns auch viele Libellen, die unterschiedlichsten Schmetterlingen und hier und da auch Orchideen begegnen. Ein kleines Naturparadies fraglos – entstanden durch industrielle Sünden.
Wir sehen uns noch ein wenig um ehe es weiter geht. Es folgt noch einmal ein kurzer aber knackiger Anstieg über einen felsigen Weg. Und schon treffen wir wieder auf den im Teuto fast unvermeidbaren Hermannsweg. Ist doch immer schön, alte Bekannte wieder zu sehen. Ihn begleiten wir nun auch gut drei Kilometer lang.
Weitblicke und gigantischer Steinbruch
Schon bald erreichen wir die erste Aussichtsplattform, die uns Weitblicke ins Münsterland ermöglicht. Bei gutem Wetter sind in der Ferne sogar die Bettentürme der Uni-Klinik Münster zu erkennen. Wir nutzen das für eine kurze Rast, denn der erste von zwei nennenswerten Ansteigen ist schließlich geschafft.
Wer mag, geht noch ein bisschen weiter, ehe er pausiert. Denn schon bald nimmt uns die nächste Aussichtsplattform in Empfang und hier sind dann auch Bänke vorhanden. Hier können wir zwar auch in die Ferne blicken, doch unser Blick wird völlig eingenommen von dem gigantischen Steinbruch zu unseren Füßen. Dort bewegen sich wie kleine Spielzeuge die Bagger der Firma Dyckerhoff. Sie bauen hier den Kalkstein ab, den für die Zementherstellung so wichtigen Rohstoff.
Uns steigt was in die Nase…
Wir gehen weiter und bemühen uns, den Zaun zu unserer Rechten auszublenden. Das funktioniert auch ganz gut. Denn zum Einen ist der schmale, links und rechts begrünte Weg wirklich schön und zum Anderen steigt uns schon seit einiger Zeit etwas in die Nase…
Es ist ein bisschen, als würden wir auf eine Großküche zu laufen. Und dort werden gerade heftig die Kochlöffel geschwungen. Es riecht köstlich, uns läuft das Wasser im Munde zusammen und wir malen uns die leckersten Gerichte aus. Zur Linken sehen wir auch immer wieder in kleinen Ansammlungen den Urheber dieses Geruchs: weiß blühenden Bärlauch.
Dann macht der Weg einen Knick nach links und uns stockt der Atem und die Nase hyperventiliert. Denn nun schauen wir zur Rechten auf ein Bärlauchfeld unter den Bäumen am Berghang, das seinesgleichen sucht. Ein Ende nicht absehbar. Wie ein weißer Teppich ziehen sich der „wilde Knoblauch“ hier über den Hang und gibt dufttechnisch mal wirklich alles. Kleine Fußnote: Für den Eigengebrauch ist es erlaubt, die aromatischen Pflanzen zu pflücken. Und sie schmecken mit Quark als Brotaufstrich oder als Pesto für Pasta wahnsinnig gut. Doch obacht: Bitte nicht mit Maiglöckchen oder Herbstzeitlosen verwechseln. Vorher noch mal den Unterschied nachlesen.
Es geht in den Wald
Wir setzen unseren Weg fort, sobald wir wieder zu Atem gekommen sind. Der Weg bleibt schmal und schön schnörkelig. So wie der verwöhnte Wanderer es liebt. Der Bärlauchteppich begleitet uns noch eine ganze Weile, fast 500 Meter, ehe es wieder bergauf geht. In engen Serpentinen dieses Mal.
Noch einmal passieren wir einen winzigen, still gelegten Steinbruch. Dann geht es in den Wald. Zur Linken sehen wir noch Siedlungsgebiete Lengerichs hinter einer Pferdekoppel. Dann folgen dem Weg weiter durch die Bäume, die uns im Sommer angenehm Schatten spenden. Genießen wir die Idylle, sie ist bald vorbei.
Schluss mit Premiumwandern
Denn allmählich dringen Industriegeräusche an unser Ohr. Das Zementwerk macht sich bemerkbar. Es hat eine Ausdehnung von fast einem Quadratkilometer und mehr als 200 Menschen arbeiten hier. Und wir nähern uns immer mehr ihrem Arbeitsplatz. Machen wir es kurz: Jetzt wird es hässlich. Ein breiter, gut 500 Meter langer Weg führt vorbei am Zementwerk und dann müssen wir auch noch entlang der Hauptstraße zurück zum Auto. Das ist unter Wandergenuss-Gesichtspunkten großer Mist, aber leider vollkommen alternativlos.
Im Vergleich zu den vielen abwechslungsreichen Erlebnissen, die wir zuvor genossen haben, ist es aber ein verschmerzbarer Wermutstropfen. Das ist zumindest meine Meinung und ich bin diesen Weg schon einige Male gegangen. Ich bin aber neugierig: Wie seht ihr das? Wie habt ihr den Weg empfunden? Lasst es mich in den Kommentaren wissen!
Für www.muensterland.de bin ich diesen Weg auch schon einmal mit der Video-Kamera gelaufen. Das hier ist dabei rausgekommen:
Ohrwurm für diese Wanderung: Smells like… Bärlauch
Will ich das wandern? Ja, auch wenn die „Industrieromantik“ erst etwas abschrecken mag. Probiert es zur Bärlauchblüte und ihr werdet begeistert sein.
Bewertung
Natur ★ ★ ★ (★)
Ausblicke ★ ★ ★ ★
Abwechslung ★ ★ ★ ★ ★
Romantik ★ ★
Duft-Faktor ★ ★ ★ ★ ★
INFOS
Rundwanderweg, 8,6 km lang
Gehzeit: 2,5 Stunden
Schwierigkeit: mittel
Start: Wander-Parkplatz in der Dyckerhoffstraße
Der Rundweg ist sehr interessant! Der Blick auf die Mondlandschaft schockiert, und 10 m weiter steht man in Wald-Idylle und läuft durch scheinbar endlose Bärlauchfelder.
Der Gegensatz von industrieller Nutzung und schöner Natur begleitet uns, auch durch die Geräusche vom Steinbruch, fast auf der ganzen Strecke.
Sehr informativ sind die Tafeln entlang des Weges. Insgesamt sehr empfehlenswert, vor allen natürlich jetzt zur Zeit der Bärlauchblüte!